Werner Kraft – Visionär und Urgestein des Würzburger Wiederaufbaus im Alter von 102 Jahren verstorben
Als Gentleman alter Schule, geschätzten Geschäftsmann und angesehenes Familienoberhaupt durften ihn viele kennenlernen. So wird er stets in Erinnerung bleiben. Am vergangenen Mittwoch, den 1. Juli 2020 ist Werner Kraft – tragende Stütze des Würzburger Wiederaufbaus – im gesegneten Alter von 102 Jahren verstorben.
1917 in Ostpreußen geboren, erlebte er vom wilhelminischen Kaiserreich über Entbehrungen des zweiten Weltkriegs und Wirtschaftswunder der 50er-Jahre die prägendsten Abschnitte der jüngeren Geschichte.
In der Ruhe liegt die Kraft – Mantra vieler, jedoch nicht des Verstorbenen
„Disziplin, Disziplin, Disziplin!“ – Wenn Werner Kraft aus seiner erlebnisreichen Vergangenheit erzählte, dann kam schnell zu Tage, dass eiserne Disziplin seinen inneren Antrieb ausmachte. So kam es auch, dass er die fast schon größenwahnsinnige Ankündigung „Ich baue diese Stadt wieder auf!“, die er schon bei seiner Ankunft in Würzburg machte, wortwörtlich einhalten konnte. Er trug nach dem zweiten Weltkrieg maßgeblich dazu bei, dass aus dem sogenannten „Grab am Main“ wieder das schöne Würzburg wurde, wie wir es heute kennen. Dass Werner Kraft sein Wiederaufbau-Versprechen nicht einhalten würde, wäre niemals eine Option gewesen, denn „ein Kraft steht immer und unter allen Umständen zu seinem Wort“; darauf konnte sich ein Jeder verlassen.
Diese Disziplin und Worttreue waren bestimmt auch die Geheimzutaten, die zu seinem geschäftlichen Erfolg führten. Der ambitionierte Bauunternehmer arbeitete getreu seinem Mantra „Erst die Arbeit und das Geschäft, dann das Vergnügen!“ von früh bis spät, um sich für die unzähligen Bauprojekte einzusetzen. Für seinen unternehmerischen Erfolg entscheidend war sicherlich sein Ideenreichtum, dem stets kühne Entscheidungen folgten. Auf dem Richtfest des historischen Stadttheaters stellten die Anwesenden beispielsweise fest, dass das Theater nunmehr fertig war, doch geeignete Parkplätze fehlten. Werner Kraft war es, dem der ebenso zündende wie simple Einfall kam, dem er – trotz des immensen Risikos – sofort Taten folgen ließ: „Ich baue Ihnen ein Parkhaus!“.
Neben der hauptberuflichen Tätigkeit als erfolgreicher Bauunternehmer engagierte sich Werner Kraft auch in mehreren Gremien der IHK, als Mitglied des Universitätsbundes, der Fördergesellschaft der Fachhochschule, des Rotary-Clubs, des Stadtmarketings „Würzburg macht Spaß!“, des Theaterfördervereins „Rosenkavaliere“, der Deutschen Herzstiftung und INTUS. Für sein gesamtes unternehmerisches wie soziales Engagement wurde er unter anderem mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland und der Staatsmedaille für besondere Verdienste um die bayerische Wirtschaft ausgezeichnet. 1995 wurde ihm für seinen Einsatz im Vorstand der FH Fördergesellschaft die Ehrensenatorwürde der FH Würzburg verliehen.
„Ohne meine Frau wäre ich nichts“
Sein größtes Lebensglück, das alles andere in den Schatten stellte, wie der Verstorbene selbst stets betonte, war jedoch seine geliebte Ehefrau Helga aus dem Hause Schlier. Am 1. Juli 1945 – genau 75 Jahre vor seinem Todestag – lernte er sie nach Entlassung aus der amerikanischen Kriegsgefangenschaft am ersten Tag seiner Ankunft in Würzburg kennen. Mit ihr zusammen baute er eigenhändig das erste Wohnhaus in der Scheffelstraße 6, wo sie zusammen Fuß fassen konnten. Nach vielen Hürden konnte der gelernte Bauingenieur seine eigene Bauunternehmung 1947 in der Neubergstraße gründen; Werner Kraft leitete das junge Unternehmen, während seine Frau Helga für die Buchhaltung und Verwaltung zuständig war. Es folgten mit der Zeit zahlreiche Großprojekte wie Mozart-Gymnasium, Regierung von Unterfranken, Stadttheater, Krankenhausbauten, Verwaltungs- und Betriebsgebäude, Parkhäuser und Tiefgaragen, das Müllheizkraftwerk, Wohnanlagen sowie diverse Straßen- und Bahnbrücken, bei denen ihm seine Helga stets den Rücken freihielt, die vielen Richtfeste organisierte und sich liebevoll um die zwei Kinder Ursula und Hans-Werner kümmerte. Auch in den letzten Stunden stand sie dem Verstorbenen fürsorglich bei.
Digitaler Ruhestand mit zahlreichen Festen
Erst im Alter von 95 Jahren übertrug Werner Kraft die Unternehmensleitung vollständig seinem Nachfolger Hans-Werner, der dringend notwendige Sanierungen durchführte und so erst dafür sorgte, dass der Bestand des Unternehmens langfristig gesichert war. Wer nun glaubt, Werner Kraft hätte einen entspannten Lebensabend bei Büchern und alten Bildern genossen, dem sei gesagt: Weit gefehlt! In seinen Neunzigern widmete sich der Verstorbene unter seinem Pseudonym „KRAFTWERNER“ vielmehr ausgiebig der neuen digitalen Welt und entdeckte Laptop und Smartphone für sich. Mit seinem Computer ausgestattet, stand er selbst im Urlaub mit seinem Freundeskreis und der Familie im regen Austausch, abonnierte internationale Zeitungen und hielt seinen Enkel Julius mit Technikfragen auf Trab. Gemeinsam mit seiner Familie, zu der mittlerweile stolze acht Enkel und sechs Urenkel zählen, veranstaltete er unzählige Feiern und Zusammenkünfte, bei denen er bis zu seinem friedvollen Ende den Vorsitz als geschätztes Familienoberhaupt übernahm. Das hielt ihn neben Schwimmen und Rudern im ARCW bis ins hohe Alter fit.